Der Basketball-Verband Sachsen-Anhalt trauert um Lutz Gerecke. Der Nestor des Magdeburger Damen-Basketballs starb am 1. Mai 2017 im Alter von 77 Jahren. Lutz Gerecke war einer der wichtigsten Akteure im Aufbau des Damen- und Mädchenbasketballs im Raum Magdeburg. Seine Erfolge konnte er auch nach der Wiedervereinigung fortführen. Abseits des Feldes hat er durch seine Niederschriften zum Basketball im wahrsten Wortsinn Geschichte geschrieben.
Mit diesem Bericht möchten wir ein Einblick in das Wirken des Lutz Gerecke geben und uns bei ihm verabschieden.
Ein Blick in den Keller
Auf den ersten Blick schien der Keller von Lutz Gerecke ein ganz gewöhnlicher zu sein. Doch wer einen Schritt hinein wagte, betrat ein kleines Museum: glänzende Medaillen, die Ehrenmitglieds-Urkunde des USC Magdeburg und Wimpel aus allerlei Ländern hingen an der Wand. Die niedergeschriebene Geschichte des Magdeburger Damen-Basketballs stand im hölzernen Vitrinenschrank - eine Basketball-Chronik in 33 Bänden, zusammengestellt von Gerecke persönlich. Bestehend aus Zeitungsartikeln, Statistiken, Urkunden und Bildern von 1967 bis 2010, erzählt die Chronik von den guten wie den schlechten Zeiten des Damen-Basketballs in Magdeburg. Und somit auch vom Leben des Lutz Gerecke.
Vom Fanfarenzug zum Basketball
„Für mich war die Arbeit an der Chronik immer Entspannung”, sagte Gerecke vor sechs Jahren, als ihn der BVSA besuchte. Und er verriet, dass er beim Beginn der Chronik kaum gedacht hätte, im Jahr 2011 auf eine 40-jährige Trainerlaufbahn zurückzublicken.
Denn geboren 1940 in Magdeburg, schenkte er dem orangefarbenen Leder zunächst wenig Beachtung. Nach vier Jahren am Institut für Lehrerbildung in Quedlinburg war Gerecke von 1958 bis 1965 als Lehrer in Rottmersleben tätig, absolvierte parallel dazu ein Sport-Fernstudium. Anschließend zog es ihn zurück in seine Heimat Magdeburg, an die Ernst-Thälmann-Schule. Sein Engagement beschränkte sich dabei nicht nur auf die Lehrertätigkeit: So leitete er zudem den Fanfarenzug der Schule (bestehend aus 80 Kindern), spielte selbst Trompete und war bei den jungen Musikanten beliebt. Doch schon bald sollte für die Musik keine Zeit mehr bleiben.
Aufgrund der Schwangerschaft einer Kollegin übernahm der Hauptsportlehrer deren Sportklasse. Nun galt es, 90 Jungen und Mädchen gleichzeitig zu unterrichten. „Da musste ich mir natürlich etwas einfallen lassen.”, erzählte Gerecke. „Ich habe dann schnell erkannt, dass man im Basketball körperliche und geistige Dinge schulen kann, wie in kaum einer anderen Sportart.” Es dauerte nicht lange und die ganze Ernst-Thälmann-Schule - damals größte Schule im Bezirk Magdeburg mit rund 1.600 Schülern - spielte Basketball. Und auch Lutz Gerecke hatte sich in das Spiel verliebt.
Eine entscheidende Begegnung
Im Jahr 1967 kreuzten sich die Wege von Lutz Gerecke und Horst Neuhof, dem Urvater des Magdeburger Basketballs. Es war eine entscheidende Begegnung. Denn Neuhof, der mit seiner Mannschaft regelmäßig in der Sporthalle der Ernst-Thälmann-Schule trainierte, war ständig auf der Suche nach Unterstützung und überzeugte Gerecke davon, sich dem Magdeburger Damen-Basketball anzunehmen - der Beginn seines Trainerdaseins.
„Als Autodidakt war ich meinen Spielerinnen damals nur eine Lektion voraus”, sagte der damalige Trainer-Neuling rückblickend. Doch er lernte schnell, zahlreiche freiwillige Helfer unterstützten ihn und die Mitgliederzahl der Abteilung Basketball bei Motor Süd Magdeburg (später PH/Lok Magdeburg) wuchs. Der Aufstieg in die DDR-Oberliga, die damalige höchste Spielklasse folgte 1972. Die Mannschaft etablierte sich auf der Landkarte des Damen-Basketballs, stellte zahlreiche Auswahlspielerinnen und konnte Titel im Damen- und Nachwuchsbereich feiern.
Besonderen Wert legte Gerecke stets auf die Vorbereitung: So ließ er von 1967 bis 2006 lediglich zwei Trainingseinheiten ausfallen - zwei von Tausenden. Eine unglaubliche Bilanz. „Beim ersten Mal gab es einen Wolkenbruch. Das Wasser stand bis zu den Dächern der Autos”, erinnert er sich, „und beim zweiten Mal da war es so nebelig, dass man die Hand vor den Augen nicht sehen konnte.” Gute Gründe, um ein Training ausfallen zu lassen. Doch trotz der widrigen Umstände fanden einige Spielerinnen den Weg zur Halle, leider vergebens. „Das habe ich mir nie verzeihen können”, so Gerecke. Diese Hingabe zeichnete ihn Zeit seines Schaffens aus.
Zahlreiche Reisen mit dem USC
Nach der Wiedervereinigung folgte die Eingliederung in den Universitätssportclub (USC) Magdeburg. Sportlich gesehen lief es danach optimal: Die Mannschaft qualifizierte sich für die 1. Regionalliga Nord (dritthöchste Spielklasse) und erreichte dort nach anfänglichen Schwierigkeiten nur noch vordere Platzierungen. Doch auf Lutz Gerecke wartete im Jahr 1995 eine Schreckensnachricht: Was erste Anzeichen bereits vermuten ließen, wurde traurige Gewissheit - Diagnose Parkinson. Bedeutete dies das vorzeitige Ende der Trainerlaufbahn? Die Antwort gaben seine Spielerinnen: „Ich habe die Mädchen damals nach ihrer Meinung gefragt. Sie sagten ich solle weitermachen, wenn es möglich sei.”
Es war möglich, Lutz Gerecke machte weiter. „Mit den Jahren habe ich mich an die Krankheit gewöhnt”, so sagte er. Leicht sei es dennoch nicht. Doch Gerecke war niemand, der jammerte, niemand, der seine Krankheit in den Vordergrund stellte.
Viel lieber sprach er über sportliche Erinnerungen. Da wären zum Beispiel die zahlreichen Reisen. Während zu DDR-Zeiten Turniere in Polen oder Tschechien gespielt wurden, machten sich die Magdeburger Basketball-Damen in den 1990er Jahren auf zu neuen Ufern. Zweimal führte sie der Weg in die USA, einmal nach Israel. „In den USA haben wir zwei Wochen lang gegen verschiedene Teams gespielt. Anschließend haben wir noch zwei Wochen Urlaub gemacht und sind per Bus die Westküste entlang gefahren”, erinnerte sich Gerecke gerne an das unvergessliche Erlebnis. Mit dabei war auch Tochter Nora, eines von drei Kindern. Während des Aufenthalts entdeckte die damals Zehnjährige ihre Begeisterung für die Sportart und ging anschließend lange Zeit für den USC auf Korbjagd.
Aufstieg in die 2. Bundesliga
Für die Spielerinnen war die Reise ins Mutterland des Basketballs ein zusätzlicher Ansporn. Zumindest lassen dies die Ergebnisse der folgenden Jahre vermuten. So hatten die USC-Damen mehrmals die Möglichkeit von der 1.Regionalliga in die 2. Bundesliga aufzusteigen, verzichteten jedoch aufgrund der zu hohen finanziellen Belastung. Im Jahr 2000 war es dann endlich soweit, das Aufstiegsrecht wurde wahrgenommen, die Magdeburgerinnen spielten in Deutschlands zweithöchster Spielklasse.
„Der Aufstieg in die 2. Damen-Basketball Bundesliga war sportlich gesehen der größte Erfolg meiner Karriere”, sagt Lutz Gerecke, „und nicht nur der Aufstieg, sondern vor allem die Tatsache, dass wir in dieser Liga sportlich bestehen konnten.” Doch die finanzielle Situation zwang den USC nach nur einer Saison zum bitteren Gang zurück in die 1. Regionalliga. Dort hielt sich die Mannschaft bis zum Rücktritt Gereckes im Jahr 2006 - und spielte somit unter seiner Leitung immer mindestens in der 1.Regionalliga.
Auch nach dem Ende seiner Trainerlaufbahn beobachtete Gerecke das Geschehen beim USC. 2006 wurde er zum USC-Ehrenmitglied ernannt. Was Lutz Gerecke für den Verein geleistet hat, ist kaum in Worte zu fassen. Fest steht: Seine Liebe und Leidenschaft für den Basketball sollten niemals in Vergessenheit geraten.
Verfasser: Daniel George (Interview und Original-Artikel)
Aufbereitung und Wiederveröffentlichung:
E-Mail: philipp.streit@bvsa.de
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